Es läuft die 35. Minute im Viertelfinale der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 1966 zwischen Gastgeber England und Argentinien. Der deutsche Schiedsrichter Rudolf Kreitlein stellt den argentinischen Kapitän Antonio Rattín mündlich vom Platz. Karten gab es damals noch nicht. Doch Rattín weigert sich den Platz zu verlassen. Stattdessen baut er sich hünenhaft vor dem einen Kopf kleineren Kreitlein auf. Aber Kreitlein, von Beruf Schneider, bleibt standhaft und erhält dafür später in Deutschland den Spitznamen «Das tapfere Schneiderlein», nach dem Märchen der Gebrüder Grimm. Gleichzeitig setzte diese Situation einen Prozess in Gang, der wenige Jahre später zur Einführung der gelben und roten Karten führte.
Ein leidenschaftlicher Schiedsrichter auf dem Weg nach oben
Kreitlein, 1919 in Fürth in Bayern geboren, war schon früh leidenschaftlicher Schiedsrichter. Eingeschränkt durch den zweiten Weltkrieg gab er sein nationales Debüt erst 1954. Neun Jahre später gab Kreitlein 1963 bei der UEFA-Jugendmeisterschaft in England seinen internationalen Einstand. Im Finale zwischen Gastgeber England und Nordirland agierte er so überzeugend, dass er sogleich für die FIFA Fussball Weltmeisterschaft nominiert wurde, die drei Jähre später 1966 ebenfalls in England ausgetragen wurde.
Von der Verwarnung aus der Zeitung erfahren
Bei der WM-Endrunde leitete Kreitlein dann das Spiel, durch das er in die Geschichte eingehen sollte: das berühmt berüchtigte Viertelfinale zwischen England und Argentinien. Von der ersten Minute an war die Partie kampfbetont. Beide Mannschaften schenkten sich nichts. Noch vor der berühmten Szene in der 35. Minuten hatten bereits drei Argentinier und die englischen Brüder Bobby und Jack Charlton eine Verwarnung erhalten. Der Legende nach erfuhren die Charlton-Brüder von ihrer Verwarnung aber erst am nächsten Tag – aus der Zeitung. Verwarnungen, aber auch Platzverweise, wurden damals nämlich nur mündlich ausgesprochen und die Brüder hatten ihre schlicht nicht mitbekommen. Ein Umstand, der noch in der ersten Halbzeit massgeblich Einfluss auf den weiteren Verlauf des Spiels nehmen würde.