"Die Zukunft des Frauenschiedsrichterwesens liegt in Ihren Händen."

Cláudia Vasconcelos Guedes (Mitte) mit ihren Linienrichterinnen Linda Black (left) und Zuo Xiudi (right) vor dem Anstoss zum Spiel um den dritten Platz zwischen Schweden und Deutschland in Guangzhou, China – 29 November 1991. © Phil Stephens Photography/F
Cláudia Vasconcelos Guedes (Mitte) mit ihren Linienrichterinnen Linda Black (left) und Zuo Xiudi (right) vor dem Anstoss zum Spiel um den dritten Platz zwischen Schweden und Deutschland in Guangzhou, China – 29 November 1991. © Phil Stephens Photography/FIFA Museum

Am internationalen Frauentag blicken wir auf einen Meilenstein der Geschichte des Schiedsrichterwesens zurück. Bei der ersten FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 1991 schrieb Cláudia Vasconcelos Guedes Geschichte, als sie als erste weibliche Schiedsrichterin ein Spiel in einem FIFA-Turnier pfiff.

"Die Zukunft des Frauenschiedsrichterwesens liegt in Ihren Händen."

Diese Worte wurden der brasilianischen Schiedsrichterin Cláudia Vasconcelos Guedes von einem Mitglied der FIFA-Schiedsrichterkommission gesagt, als sie vor dem Spiel um den dritten Platz bei der Weltmeisterschaft 1991 mit ihren beiden Linienrichterinnen in der Umkleidekabine sass.

Wenn das mal keinen Druck auslöst!

Druck war jedoch genau das, womit Guedes bestens zurechtkam. Sie stand kurz davor, als erste weibliche Schiedsrichterin bei einem FIFA-Turnier das Feld zu betreten. Aus den sechs Linienrichterinnen, die für die erste Weltmeisterschaft ausgewählt worden waren, war sie die logische Besetzung, um diese Ehrung zu erfahren. Neben ihr standen an diesem Tag die Chinesin Zuo Xiudi und die Neuseeländerin Linda Black auf dem Platz. Als erstes reines Frauenteam bei einem FIFA-Turnier schrieben alle drei Geschichte. Beim 4:0-Sieg Schwedens gegen Deutschland zeigten sie alle eine souveräne Leistung, wobei Guedes das Ruder stets fest in der Hand hielt. "Ich erinnere mich noch an viele Momente dieses denkwürdigen Tages, von dem Moment an, als ich das Spielfeld betrat, bis zu dem Moment, als ich wieder im Hotel ankam", sagt Guedes im Gespräch mit dem FIFA Museum, "vor allem, als ich die Arme hob, um das Spiel mit einem intensiven Gefühl von erfüllter Pflicht zu beenden."

Eine Pflicht, die in der Tat erfüllt wurde, denn es war eine Leistung, die die FIFA in ihrem Entschluss bestärkte, sich voll und ganz für die Entwicklung von Schiedsrichterinnen einzusetzen. Neun Monate bevor die Weltmeisterschaft in China stattfand, war die FIFA-Schiedsrichterkommission mit einer unverblümten Wahrheit konfrontiert worden, die im Protokoll ihrer Sitzung vom Februar 1991 festgehalten wurde. "Einige Nationalverbände haben bereits hervorragende weibliche Schiedsrichter", hiess es dort, doch fügte man hinzu, dass "Frauen nicht als Schiedsrichterinnen ernannt werden konnten, weil sie nicht auf der Schiedsrichterliste 1991 standen." Die FIFA wusste einfach nicht, wer die besten Schiedsrichterinnen waren und wollte kein Risiko eingehen.

Schiedsrichterin Ingrid Jonsson ruft nach medizinischer Unterstützung für die chinesische Spielerin Sun Wen (9), während des Gruppenspiels zwischen den USA und China in Gävle, Sweden – 6 Juni 1995. © Bildbyran/FIFA Museum
Schiedsrichterin Ingrid Jonsson ruft nach medizinischer Unterstützung für die chinesische Spielerin Sun Wen (9), während des Gruppenspiels zwischen den USA und China in Gävle, Sweden – 6 Juni 1995. © Bildbyran/FIFA Museum

Schiedsrichterinnen auf der FIFA Liste der internationalen Schiedsrichter
Bis zur nächsten Weltmeisterschaft 1995 in Schweden hatte sich die Landschaft dramatisch verändert, unter anderem durch die erstmalige Aufnahme von weiblichen Schiedsrichtern und Linienrichterinnen in die offizielle FIFA-Liste. Von den 12 Schiedsrichtern, die für die Endrunde ernannt wurden, waren sieben Frauen, darunter Ingrid Jonsson, die 1991 als Linienrichterin im Finale eingesetzt worden war. In Schweden betrat sie Neuland, als sie als erste Frau ein WM-Finale leitete. Bei der WM 1999 in den USA war dann kein einziger Mann mehr im Einsatz!

Heute wird weiter an der Verbesserung der Standards gearbeitet. Aber diejenigen, die heute eine Karriere als Schiedsrichter machen, täten gut daran, die Vorarbeit der mutigen Pioniere wie Guedes zu würdigen. Es war eine Karriere, die auf der Grundlage von viel "Kampf und Hingabe" aufgebaut wurde, so Guedes. Sie begann ihre Karriere 1983, nur vier Jahre nachdem das Verbot für Frauen, Fussball zu spielen, aufgehoben worden war. 1983 war in ihrer Heimatstadt Rio de Janeiro eine Frauenliga gegründet worden, während sie gleichzeitig Sportwissenschaften studierte. "Einer meiner Professoren ermutigte mich, an einem Kurs zur Ausbildung von Fussballschiedsrichtern teilzunehmen, der vom Berufsverband der Fussballschiedsrichter in Rio organisiert wurde." Bereits ein Jahr später begann Guedes, Spiele der regionalen Meisterschaft der Frauen in Rio zu leiten, ebenso wie Spiele der Jungen in den Altersklassen von 12 bis 17 Jahren. 1985 leitete sie bereits Amateur-Spiele der Männer auf regionaler Ebene.

Ihre Fortschritte hatten andere ermutigt, ihr nachzueifern. Als die FIFA Anfang 1991 ein Rundschreiben verschickte, in dem die Mitgliedsverbände aufgefordert wurden, eine Linienrichterin für die erste Weltmeisterschaft zu nominieren, war Guedes die logische Wahl für Brasilien. Die Beziehung zum Dachverband war jedoch nicht immer einfach. Bei der Vorbereitung auf die Endrunde 1991 war sie auf sich allein gestellt, und als die Schiedsrichterinnen 1993 in den brasilianischen Fussballverband CBF aufgenommen wurden, wurden sie oft mit Argwohn betrachtet. "Die Behandlung von Schiedsrichterinnen war anders als die von männlichen Schiedsrichtern, nicht nur in Bezug auf den Transport zu den Spielen, wo Frauen Busse und Männer Flugzeuge benutzten, sondern auch in Bezug auf die Vergütung von Schiedsrichtern", erinnert sich Guedes.

Ein Mangel an Möglichkeiten
Sogar bei der Weltmeisterschaft 1991 gab es eine gewisse anfängliche Zurückhaltung der männlichen Schiedsrichter. Das legte sich aber bald und alle sechs dieser Vorreiterinnen kamen in mindestens einem der wichtigsten Spiele der Endrunde zum Einsatz - im Eröffnungsspiel, im Spiel um den dritten Platz und im Finale. Nachdem sie bei den Olympischen Spielen 1996 als Schiedsrichterin im Einsatz war, hängte Guedes im Jahr 2000 im Alter von 37 Jahren ihre "Pfeife an den Nagel" - zu früh, wie sie sagt, aber veranlasst durch den Mangel an Möglichkeiten, die ihr im professionellen Herrenfussball geboten wurden. "Die nationalen Schiedsrichter-Verantwortlichen haben damals das Potenzial von weiblichen Schiedsrichtern nicht gebührend anerkannt und gewürdigt, im Gegensatz zu den anderen im Fussball und in den Medien, die meiner Arbeit immer Wertschätzung entgegenbrachten."

Das Interview schliesst sie aber mit einer positiven Note ab, indem sie sagt, dass die Situation jetzt ganz anders ist. Und das ist wirklich das herausragende Vermächtnis ihrer Karriere - sie half, den Weg für diejenigen zu ebnen, die in ihre Fussstapfen traten.

 

In einer neuen Ausstellung präsentiert das FIFA Museums in zwanzig Vitrinen, darunter eine über Cláudia Vasconcelos Guedes, interessante Fakten über die Aufgaben von Spieloffiziellen und bemerkenswerte Momente aus ihrer Historie.

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