Gesänge auf den steilen Rängen des Maracanã in Rio de Janeiro sind keine Seltenheit. Ungewöhnlich ist hingegen, wenn diese dem Gastteam gelten. Es ist deshalb nur verständlich, wenn Tahitis Kapitän Nicolas Vallar den Empfang beim FIFA Konföderationen-Pokal 2013 kaum fassen konnte.
"Zu Beginn des Konföderationen-Pokals konnten wir kaum glauben, wie viele uns unterstützten. Wir kriegten Gänsehaut, als wir die Anfeuerungsrufe für Tahiti hörten", erzählte Vallar dem FIFA World Football Museum.
Auch interessant
Sumner und das erste WM-Tor für Ozeanien
Die Spieler von Eddy Etaeta starteten mit einem überzeugenden 10:1-Erfolg über Qualifikant Samoa ins Turnier. Torschützen waren die drei Tehau-Brüder Jonathan, Alvin und Lorenzo sowie ihr Cousin Teaonui Tehau. Nach einem 4:3 gegen Neukaledonien gaben sie sich auch im abschliessenden Gruppenspiel keine Blösse und bezwangen Vanuatu mit 4:1.
Nach dem 1:0 im Halbfinale gegen den Gastgeber setzten sie ihren Siegeszug auch im Finale in Honiara fort und besiegten Neukaledonien dank einem präzisen Schuss von Steevy Chong Hue in der zehnten Minute ebenfalls mit 1:0.
Gemäss Vallar, der beim Turnier in der Innenverteidigung sein Debüt gab und als bester Spieler des Turniers schliesslich mit dem Goldenen Ball ausgezeichnet wurde, wagte Tahiti allerdings erst nach dem Sensationssieg Neukaledoniens im zweiten Halbfinale gegen Neuseeland vom Sieg zu träumen.
"Wenn mir vor dem Turnier jemand gesagt hätte, dass wir den OFC-Nationen-Pokal gewinnen würden, hätte ich ihn für verrückt gehalten. Es war schlicht unglaublich, als wir es schafften – unglaublich sowohl für uns Spieler als auch für den tahitianischen Fussball. Ich kann die Gefühle kaum in Worte fassen."
Auch interessant
WM 1966: Als die DVR Korea die Italiener schockte
"Wir machten uns nichts vor", erinnert sich Vallar. "Wir wussten, dass wir gegen diese Gegner kaum eine Chance hatten. Wir wollten das Ganze deshalb einfach geniessen und zusammen mit den Fans Spass haben." Mit dieser positiven Einstellung und dem sichtlichen Bemühen, nicht bloss zu mauern und abzuwarten, erntete die Mannschaft von Fans und Gegnern viel Respekt. Der Ehrentreffer im Auftaktspiel gegen den Afrikameister in Belo Horizonte wurde deshalb frenetisch bejubelt – fast wie ein Turniersieg.
Jonathan Tehau hatte einen Eckstoss von Marama Vahirua, der in Frankreich spielte und lange Zeit so etwas wie der verlorene Sohn des tahitianischen Fussballs war, kolossal per Kopf verwandelt. Es folgte ein ausgelassenes Paddeltänzchen der gesamten Mannschaft in Anspielung an den tahitianischen Volkssport: Auslegerkanu.
Mit dem Anschlusstreffer zum 1:3 schienen die Polynesier plötzlich auf Augenhöhe – allerdings nur kurz, denn die Nigerianer nahmen das Heft schnell wieder in die Hand und siegten schliesslich 6:1. Gegen Spanien (0:10) und Uruguay (0:8) kam es noch dicker, doch mit ihrem Sportsgeist eroberten die Tahitianer die Herzen vieler weiterer Fans in Rio, Recife und ihrer Heimat in Französisch-Polynesien.
Auch interessant
Auch Bonhof verewigt sich auf Wall of Champions
"Diese Spieler begannen alle mit sechs Jahren und wurden mit 12 oder 13 ins nationale Leistungszentrum aufgenommen. Sie waren mindestens zehn Jahre gezielt gefördert worden, ehe sie den Nationen-Pokal gewannen."
"Man ist nicht chancenlos, nur weil man klein ist – Tahiti zählt nur 260.000 Einwohner. Mit viel Einsatz und Organisation kann man Erfolg haben. Wenn Sie eine Vision haben, den Nachwuchs und die Trainer gezielt fördern und folglich eine langfristige Perspektive verfolgen, sind internationale Siege und Erfolge möglich."